Samstag, 11. Februar 2012

[Buchgespinst] Der Regen bevor er fällt von Jonathan Coe

Dieses Buch befand sich jetzt schon eine kleine Ewigkeit in meinem Bücherregal, ein wunderschönes gebundenes Buch noch immer in Folie verschweißt. Ich bin froh, dass ich es endlich zur Hand genommen habe.

Ein Familiengeheimnis und wunderschönes Prosa ist manchmal alles was ein gutes Buch braucht. Rosamond nimmt eine Geschichte für Imogen auf Band auf. Imogen ist Rosamonds verschollene Großnichte und sie tut dies, weil sie die Einzige ist, die Imogens Geschichte noch zu erzählen weiß. Und diese Geschichte reicht zurück bis zum zweiten Weltkrieg, als Beatrix, Imogens Großmutter, und Rosamond selbst noch Kinder waren. Beatrix ist nie in den Genuss mütterlicher Liebe gekommen, sondern immer nur der mütterlichen Kälte begegnet, was sie schon in jungen Jahren in die Arme des erstbesten Mannes trieb und selbst auch gefühlskalt gegenüber ihrer eigenen Tochter werden ließ. Dies ebnete den Weg für ein schreckliches Ereignis, das Imogen das Augenlicht nahm. Rosamond lüftet nun das Familiengeheimnis mit großem Einfühlungsvermögen. Sie lässt auch die wunderbaren Momente in Imogens Leben nicht aus, im Versuch Verständnis für eine unverständliche Tat zu wecken.

Ich habe es sehr genossen dieses Buch zu lesen. Ich nahm es zur Hand wann immer ich eine freie Minute hatte. Ich mag die Weise in der diese Geschichte erzählt wird. Rosamond beschreibt der blinden Imogen Fotografien von lang vergessenen Tagen und Leuten und schwelgt in den Erinnerungen, die dabei in ihr hoch kommen. Die Geschichte entwickelt sich entlang der chronologischen Reihenfolge dieser ausgesuchten Bilder und bei jedem Foto werden mehr Details gelüftet. Die Stimmung ist melancholisch aber ruhig und sehr persönlich. Letztendlich ist das Familiengeheimnis nicht so sehr erschreckend als viel mehr traurig, was für mich jedoch die Leserfahrung kein bisschen getrübt hat. Es waren viel mehr die Motivationen hinter der schlimmen Tat, die den Leser ermutigt immer weiter zu lesen.

Ich würde das Buch Lesern empfehlen, die Abbitte von Ian McEwan oder Die Frau, die es nicht gab von Maggie O'Farrell mochten.

Donnerstag, 9. Februar 2012

[Buchgespinst] Das Familientreffen von Anne Enright

Die Handlung dieses Buches ist eine einfache Sache. Veronica Hegarty steht unter Schock, denn ihr alkoholsüchtiger Bruder Liam ist gestorben. Er ist mit Steinen in den Hosentaschen ins Wasser gegangen. Doch seine Beerdigung vereinigt die verbliebenen Hegarty Kinder und Veronica findet sich inmitten ihrer ausschweifenden Geschwister wieder. Während all dessen sind eine Menge dunkler, melancholischer Beobachtung vergangener Zeiten in die Geschichte eingebunden, die bis zum Kennenlernen von Veronicas Großeltern Ada und Charly zurückreichen. Veronica kennt nur wenige Fakten dieses Kennenlernens, was sie jedoch nicht davon abhält sich jede Menge Gedanken darum zu machen und immer wieder ein paar ausgedachte Details zur Geschichte hinzuzufügen. Ihr scheinbar normales Leben, welches sich um ihren Mann und die Kinder dreht, entrückt ihr dabei mit jedem Gedanken. Veronica ist ruhelos, da ihres Bruders Geist und die Gründe für sein miserables Leben, die letztendlich zur Alkoholsucht führten, sie verfolgen. Schon bald dämmert ihr, dass sie den wahren Grund kennt, die Wahrheit über das was ihren Bruder die Flucht in den Alkohol suchen ließ. Aber würde das jetzt noch etwas ändern?

Das Familientreffen ist kein Buch mit einer vorantreibenden Handlung. Es geht vielmehr um das komplizierte Gefühlsleben der Protagonistin. Während ich las, wurde mir klar, dass die Handlung auch manchmal innen ist, was heißen soll, dass sie sich in einer Person abspielt, zum Beispiel ausgelöst durch den Verlust einer geliebten Person. Allerdings macht jene Art zu Schreiben viele von uns unwohl, zu viele Gefühle und nicht genug Handlung. Oftmals habe auch ich so empfunden während ich las.

Anne Enright hat eine einzigartige Stimme. Ich fand es bemerkenswert wie alles zum Leben erweckte, sobald Enright darüber schrieb. Und das ist der Grund weshalb dieses Buch nichts desto trotz kein Stück einfach ist. Es ist bestrebt die Essenz von Liebe und Tod zu analysieren, mit all seinen bestimmten Fürchten, Leiden und Freuden.

Das Buch ist unter dem Originaltitel The Gathering erschienen und hat im Jahr 2007 den Man Booker Prize gewonnen.